Die wohlverdiente Pause. Foto/Karl Christian Nielsen
Zu der Zeit, in der die spektakuläre Zwillingsgeburt stattfand, von der oben berichtet wird, spielten „Fjallagrös“, was in deutscher Übersetzung „Islandmoos“ (Catraria islandic) genannt wird, eine wichtige Rolle für das Überleben der isländischen Bevölkerung gerade in den harten, entbehrungsreichen Wintern.
Die Gräser wurden getrocknet und gemahlen und vielen Lebensmitteln beigemischt, z.B Mehl, Grütze, Milch oder Tee. Auch sagte man ihnen Heilkräfte nach und setzte sie bei Halserkrankungen und Magenbeschwerden ein.
In historischen Quellen aus der Wikingerzeit gibt es Hinweise dafür, dass die Bedeutung des Islandmooses schon zu dieser Zeit erkannt worden war. Dort erfährt man nämlich, dass der Wert eines Hofes sich nach seiner Lage richtete, d.h. dass er von höherem Wert war, je günstiger die geografischen Gegebenheiten für das Leben der Menschen waren.
Dazu gehörte z.B. die Nähe eines Flusses mit Lachsen und ein Brutgebiet von Eiderenten für das Sammeln der wärmenden Daunen. Aber auch ein naher Berg, auf dem das Islandmoos wuchs, steigerte den Wert eines Gehöftes.
Die Lese des Islandmooses war Frauenarbeit. Im Frühsommer vor der Heuernte und nachdem die Ablammzeit vorbei war oder in den Herbstmonaten, machte sich eine Gruppe von jungen Mädchen und älteren Frauen zu Pferd auf den Weg in die Berge, begleitet von einem Mann, der dafür zuständig war, die Ernte auf die Pferde zu packen.
Sie waren meist ein bis zwei Wochen unterwegs und übernachteten in Zelten. Das Islandmoos wurde in der Regel bei trockener Witterung immer am späten Abend, in der Nacht und in den frühen Morgenstunden, wenn es feucht war und man die „Pflanze“ leichter vom Moos abtrennen konnte, gelesen.
Durch die hellen Nächte konnte problemlos zu diesen Zeiten gearbeitet werden. Das Islandmoos wurden in Säcke gesammelt, die die Frauen auf dem Rücken trugen. Anschließend wurden es zum Trocknen ausgelegt, bevor es wieder in die Säcke verstaut und auf die Pferde geladen wurde. Die Funktion der Pferde als Lastenträger war für die Menschen damals unverzichtbar.
In der Zeit des Wartens saßen die Frauen beieinander, sangen und erzählten sich Geschichten. War die Arbeit getan, ritt man wieder zurück ins Tal. Dort wurde das Islandmoos meist noch einmal ausgebreitet, um vollkommen durchzutrocknen, bevor sie in Tonnen gelagert wurden.
Quelle: Jónas Jónasson frá Hrafnagili, Íslenskir þjóðhættir, Jahr 1945, S. 64-66.