ALLES ISI! Ein Leben mit Islandpferden von Carina Heller
In dem Kapitel „Godi, das Rompferd“ beschreibt Carina, wie ihre Mutter sich aus Mitleid ein heruntergekommenes, lahmes Pferd kauft und es aufpäppelt.
Der Leser erfährt, wie es sich zu ihrem absoluten Verlass- und Lieblingspferd entwickelt. Mit Godi schmiedete Gertrud Heller große Pläne: Sie wollte mit ihm sogar bis nach Rom reiten!
Bei der zweiten oder dritten Gruppe, die bei uns Station machte, war Godi dabei. Ein großer Fuchswallach, der in seinem jungen Leben schon einige Karrieren hinter sich hatte.
Gekauft worden war er als erfolgsversprechender Turnier-Fünfgänger, – nein, das war nicht ganz seine Bestimmung, dann weiterverkauft als schneller Rennpasser – nein, das war auch nicht ganz seine Bestimmung, wiederum weitergegeben als Gewichtsträger für Wanderreiter und auch das war nicht seine Bestimmung.
Seine wahre Bestimmung war eine ganz andere und zwar die wertvollste, die ein Pferd haben kann: Er sollte das Staatsross meiner Mutter werden.
Und das kam so: Durch so viele Hände gegangen, war sein Fell als er mit einer der Wanderreitergruppen bei uns ankam, stumpf und sein Blick hundemüde. Er sah aus wie dreißig Jahre und war mal gerade sieben Jahre alt. Er war abgehungert und lahm und wollte nicht mehr weiterlaufen. Ein Bild des Jammers.
Die Wanderreitgruppe ließ Godi bei uns zurück und besprach mit meiner Mutter, dass sie ihn mit dem Anhänger abholen würde, sobald sie ihr Ziel erreicht hatten.
Aber daraus wurde nichts, denn in diesen Tagen wendete sich Godi’s Schicksal und es war meine Mutter, die seine wahre Bestimmung entdeckte. Ihr Herz floß über aus lauter Mitleid und sie kaufte den Besitzern diesen lahmen Hungerhaken sofort ab.
Ich konnte das nicht glauben. Sie hatte für dieses Knochengerüst auch noch viel Geld bezahlt. Aber Godi würde es ihr sein Leben lang danken und meine Mutter erlebte mit ihm ihre unbeschwerteste Reit-Zeit.
Sie pflegte ihn und hegte ihn und päppelte ihn so richtig auf, bis sein Bäuchlein rund wurde und sein Fell glänzte. Sie schwörte auf Leinsamen, egal ob zum Aufpäppeln oder fürs glänzende Fell und für gesunde Hufe sowieso.
Und Godi blühte auf. Endlich eine Karriere, die ihm lag. Aus seinem lahmen schlapp-schlapp, schlapp-schlapp-Gang wurde schon bald ein energischerer klapp-klapp, klapp-klapp-Gang.
Als seine Lahmheit vorüber war, beschloß meine Mutter, ihn einmal auszuprobieren. Das Aufsitzen wurde schon ein Kraftakt. Godi war ein außergewöhnlich großer Isländer und Muttern war etwas gehandicapt durch eine alte Schulterverletzung.
Sie hatte Mühe, sich auf ihn hochzuziehen. Aufsteighilfen waren damals noch völlig verpönt. Aber unsere Mutter war clever. Ein alter Mühlstein, der dekorativ im Hof lag, wurde ihre Aufsteighilfe.
Und hier bewies ihr Godi eine seiner größten Stärken: Er konnte still stehen bleiben, gaaanz lange und zwar so lange, bis Müttern sich in dien Sattel gekämpft hatte.
Und auch dann noch stand er da wie eine Statue und ließ ihr Zeit, sich zu sortieren. Nur seine Unterlippe wackelte etwas. Er wartet so lange, bis sie ein kräftiges „so Kinter, jetzt kann es losgehen“, ausrief und dann ging es auch schon los.
Godi war von Beruf Passer, genauer gesagt Schweinepasser. Aber das störte unsere Mutter nicht. War sie doch jahrelang auf Höttur im Trippeltrab durch die Felder geritten. So empfand sie Godis äußerst bequemen Schweinpass als wahren Segen.
Und das wichtigste dabei: Sie fühlte sich sicher, denn Godi ging mit ihr durch dick und dünn. Er war ihr Fels in jeder Brandung. Neben ihm hätte eine Bombe explodieren können, er hätte einfach seinen Weg unbeeindruck fortgesetzt.
Vielleicht würde seine unterlippe ein bißchen mehr als üblich wackeln, aber nur ein ganz kleines bißchen. Meine Mutter ritt mit Godi überall hin. Ob im Sünteltal, im Deister, im Watt oder im Harz.
Godi war ihre Lebensversicherung. Sie lieh ihn nur schweren Herzens aus und dann auch nur an superängstliche Reiter, die sie von ihrer Begeisterung doch noch überzeugen wollte.
Bei jeder Quadrille ritt sie mit ihm stolz an der Spitze. Immer ein bißchen nach vorne gebeugt.
Ihn störte das nicht, und immer hatte sie eine kurze Springgerte mit Lederklatsche am Ende in der Hand. Nie überforderte er sie im Tempo und sie ihn auch nicht.
Mit ihm traute sie sich einfach alles zu und als sie in der Zeitschrift „Pony Post“ (oder hieß sie da schon „Freizeit im Sattel“?) einen Artikel über einen Ritt nach Rom las, war es um sie geschehen.
Voller Begeisterung sprach sie immer wieder davon, mit Godi nach Rom zu reiten. Dieser Romritt-Geschichte habe ich meiner Mutter irgendwie nie so richtig geglaubt.
Als ich dann aber das Buch von Max Indermaur „Der große Ritt“ aufschlug, stolperte ich als erstes im Prolog über den Abschnitt mit dem verhinderten Romritt und da war ich doch so richtig geplättet. Hier beschreibt Max Indermaur, Islandpferdmann aus der Schweiz, doch tatsächlich ausführlich die Idee zu diesem Ritt.
Leseprobe aus dem Buch: Alles ISI von Carina Heller, Seite 63-65