Bis Jakob sich seine eigene Existenz als Schmied aufbaut, vergehen noch viele Jahre, bis dahin kommen und gehen Pferde in seinem Leben.
Das Leben ging weiter – jeden Tag ging´s ein kleines Stückchen voran, einer neuen Zukunft entgegen. Viel Zeit zum Nachdenken blieb nicht, und auch wenn das Leben sich langsam normalisierte, der Hunger kleiner wurde und Jakob beim Blick auf Pferdebacken nicht gleich an Fleisch denken musste (siehe Kapitel 1) , blieb der Alltag hart, vor allem für eine alleinstehende Frau, die vier Kindern und deren Großeltern satt kriegen musste.
Doch 1952 wird alles anders:
Der Vater kehrt aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück und steht eines Tages vor der Tür – für den inzwischen zehnjährigen Jakob ein fremder Mann.
Von dem, was er in Krieg und Gefangenschaft erlebt hat, erzählt er wenig, aber er macht sich sofort daran, eine neue Existenz für seine Familie aufzubauen.
Mithilfe eines Kredits, ein besonders günstiges Darlehen für Flüchtlinge, kauft er Land im Moor bei Stade. Auf diesem schwer zu bearbeitenden Boden fängt er noch einmal ganz von vorne an.
Von den beiden Stuten, die die Familie auf der Flucht aus Westpreußen nach Norddeutschland gebracht haben, muss man sich schweren Herzens trennen. Aber für Gefühlsduseleien ist kein Platz, die Zweckhaftigkeit ist in dieser Zeit das einzige Kriterium dafür, ob ein Tier bleiben kann oder verkauft werden muss.
Für das Geld kommt Guste in die Famile. Die Kaltblutstute ist für die Landwirtschaft von größerem Nutzen. Die ersten Jahre bleibt sie das einzige Pferd auf dem Hof, doch eines Tages soll sie Gesellschaft bekommen.
Mitte der fünfziger Jahre, erinnert sich Jakob, erfährt man, dass Islandpferde in Hamburg angekommen sind. Aus ihrem Einsatz in den englischen Minen weiß man, dass diese Pferde sehr leistungsfähig und belastbar sind.
Der Vater verspricht sich von ihnen vor allem auch, dass sie nicht so leicht im Moor einbrechen wie die schweren Kaltblüter, und so setzt man sich eines Tages in den Pferdewagen und fährt zum Hamburger Hafen.
Für 150 Mark pro Stück werden Max und Moritz erstanden. Die beiden machen ihren Job bei der Arbeit auf dem Feld gut, und die Kinder lieben die Ponys.
Doch schon bald bekommen die fleißigen kleinen Helfer Probleme mit der Atmung, aber der Tierarzt erkennt sofort das Problem:
„Das sind Islandpferde, die könnt ihr nicht im Stall einsperren, lasst sie raus und alles regelt sich von selbst.“
Und tatsächlich ist es so! Rund um die Uhr an der frischen Lust, sind Max und Moritz schnell wieder putzmunter und volleinsetzbar.
Schon bald muss man wieder Abschied nehmen von einem Pferd, dass mit seinen Diensten das Überleben der Familie gesichert hat. Dabei war die alte Guste eigentlich das erste Pferd, dass bleiben sollte, denn die Mutter hing sehr an ihr.
Doch zu verlockend war das Angebot eines alten Ehepaares aus der Nachbarschaft, das ein todbraves Kutschpferd für ihre Einkaufsfahrten suchte.
Als die alte Frau 2400 Mark (!) in bar aus ihrem Strumpfband hervorzieht, kann der Vater dieses Geschäft nicht ausschlagen, das muss selbst die Mutter einsehen. Und so wechselt Guste auf ihre alten Tage noch den Besitzer.
Den Weg zum Supermarkt kennt sie wie im Schlaf, das ist für die alten Leutchen von unschätzbarem Wert. Auf ihrer Eienkaufstour kommen sie immer an Jakobs Haus vorbei. Dort hält Guste regelmäßig allein an und wiehert, bis die Mutter erscheint und der alten Freundin ein Stück Brot oder einen Apfel bringt.
Schon wenige Jahre später wird Jakob seine Lehre als Hufschmied beginnen. Auch wenn er als Vierzehnjähriger zunächst andere Träume hatte, haben ihn seine Erlebnisse mit Pferden in jungen Jahren so geprägt, dass er in diesem Beruf glücklich wird und ihn auch heute noch gerne ausübt.
2 Responses
Ich habe eine wunderbare, mittlerweile 22 Jährige Islandstute, die von Jakob Hess gezüchtet wurde ! Schön, endlich ein paar Infos über ihn hier zu lesen !
ich suche weiter..
Liebe Patrizia,
Vielen Dank für dein Feedback. Ja, manchmal ist man erstaunt, was Menschen so erlebt haben! Viel Spaß noch mit deiner Stute!